Anpacken mit Mut!

Katja Adler

Haushaltsrede

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher,
Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,
werte Gäste,

„Mut tut gut“ – ein Zitat unseres Bürgermeisters Herrn Brum. Ein Ausspruch, welcher im Zusammenhang mit der seinerzeit geplanten Einführung von Straßenbeiträgen gefallen ist. Mutig wollte man also sein beim geplanten wiederholten Griff in die Taschen der Oberurseler Bürger.
Offensichtlich sind wir da nicht so ganz auf einer Linie. Denn Mut erfordert es in der Tat, will man den Haushalt nachhaltig und ohne weitere Abgaben- Belastungen der Bürger Oberursels sanieren. Denn das ist notwendig, keine Frage. Haben wir doch einen aktuellen Schuldenstand von mehr als 41 Mio. €, ein im Haushalt 2015 geplantes Defizit von rund 3,6 Mio. €. Ab 2016 drohen weitere 3,9 Mio. € Real-Abzug durch den von der aktuellen schwarz-grünen Landesregierung vorgelegten neuen Kommunalen Finanzausgleich.
Schon allein der aktuelle Schuldenstand lässt vermuten, dass es bisher an Mut bei der Konsolidierung des Haushaltes gefehlt hat.
So ist es nicht überraschend, dass bei jeglichen Sparansätzen die dazugehörigen Nachfragen in der Regel entweder mit 100 %-iger Auslastung oder „die Investition ist …. unbedingt notwendig“ beantwortet wurden.
Nicht zuletzt geschehen bei meiner Nachfrage in der vorletzten HFA-Sitzung hinsichtlich der tatsächlichen Auslastung des Rathauses. Ja, selbstverständlich ist dieses zu 100 % ausgelastet. Doch fragen wir mal genauer. Sind diese mehr als 9.000 ! qm Rathaus-Fläche tatsächlich zu 100 % ausgelastet – nach heutigen Standards!? Denn nur darum kann es gehen. Die heutigen Gegebenheiten sind und müssen Grundlage unserer Entscheidungen, unseres Handeln sein. Und da darf es auch kein „das war schon immer so“ geben.
Gerade aktuell geschieht dies wieder bei der hälftigen Beteiligung an den Baukosten der Sporthalle der Hans-Thoma-Schule am neuen Standort. Oberursel hat sich schon immer an den Baukosten der Sporthallen beteiligt. Nun ist es wiederum mit dem Kreis so verabredet und kostet Oberursel mindestens 2 Mio. € an Investitionskosten plus die anteiligen jährlichen laufenden Kosten. Für die Sicherstellung des Schulsportes ist der Kreis zuständig. Wird hier also der Bedarf einer neuen Sporthalle gesehen, wird diese gebaut – vom Kreis. Der tatsächliche über die bisherigen Turnhallen hinausgehende Bedarf der Vereine an dieser zusätzlichen Sporthalle konnte bisher nicht nachgewiesen werden.
Vor dem Hintergrund eines „Das war zwar schon immer so, aber überlegen wir mal Alternativen.“ gehen wir z. B. d’accord mit dem Vorschlag der OBG-Fraktion, die die Verlagerung der Bauaufsicht auf die Kreisebene ab 2015 vorschlägt.
Aber wir gehen noch weiter: Wir müssen uns fragen, wie notwendig die Unterhaltung von Stadtarchiv und Vortaunusmuseum am jetzigen Standort und in der jetzigen Form, mit den heute notwendigen Zuschüssen ist. Allein diese beiden Produkte … um im Wording der Doppik zu bleiben … kosten uns jährlich zusammen (173. 400 + 289.100) 462.500 €. Das macht in Punkten ausgedrückt, 25 Punkte Grundsteuer B-Erhöhung für alle Bürger Oberursels. Nutzen tun das Vortaunusmuseum gerade mal etwas mehr als 7.000 Besucher im Jahr … und das kostenlos. Könnte man allein die Mieten dieser beiden Gebäude sparen, wäre das schon eine Entlastung von (42.000+83.900) 125.900 € jährlich. Doch hierzu bedarf es den Mut und den Willen, neue Wege zu gehen und in diesem Fall z. B. mal nach alternativen und kostengünstigeren Lösungen zu suchen. Als Idee könnte evtl. die sowieso schon teuer angemietete Burgwiesenhalle zur Unterbringung wichtiger Exponate des Vortaunusmuseums dienen.
Der Umgang mit dem Gebäude Altes Hospital ist bereits in der Diskussion… Da hat es dann doch auch mal was gutes, die hohen notwendigen Investitionskosten für eine den heutigen Standards in technischer bzw. brandschutztechnischer Ausstattung und Barrierefreiheit vor Auge geführt zu bekommen. Insgesamt nahe 1 Mio. €. Denn offensichtlich beginnen nun die Überlegungen zu den Alternativen. Doch diese müssen weiter geführt werden und dürfen nicht, wie so oft geschehen und in Ansätzen wieder spürbar, im Sande verlaufen. Die Miete des Gebäudes beträgt jährlich 45.850 €. Hier nun eine dauerhafte alternative Unterbringung der Senioren zu finden und das Gebäude zu veräußern ist nahezu alternativlos.
Es ist nicht nur vom Kostenfaktor her unabdingbar, nach Synergieeffekten innerhalb der Verwaltung Oberursels oder zwischen Stadt und BSO zu suchen. Auch hier gehen wir d`accord mit der OBG und schließen uns dem Vorschlag der Prüfung einer Auflösung/Verkleinerung und Rückübertragung des BSO an die Stadtverwaltung an.
Doch auch hier wollen wir weiter gehen … und zwar über die Kommunalgrenzen hinweg. Bei der Bereitstellung von Infrastruktur kommt der interkommunalen Zusammenarbeit besondere Bedeutung zu. Auch wir müssen weitergehende Möglichkeiten und Wege der interkommunalen Zusammenarbeit in den Bereichen Stadtkasse, Standesamt, Einkauf oder EDV prüfen. Hier lassen sich Synergien über die Verwaltungsgrenzen hinweg schaffen und damit Geld und mittelfristig auch Personal in der Kernverwaltung sparen. Nachbargemeinden wie Steinbach, Kronberg und Königstein machen es vor und sind erfolgreich damit.
Ebenso werden z. B. im Produktbereich Tourismus und Wirtschaft rund 1,7 Mio. Euro aufgewendet. Mittel, die über viele verstreut angelegte Projekte verteilt sind. Hier haben wir z. B. wieder das Vortaunusmuseum und das Taunus-Informationszentrum (TIZ). Wir müssen uns fragen, ob wir noch das Geld für diese vielen kleinen, teilweise doppelten Projekte an zersplitterten Standorten zahlen wollen. Denn können… können wir dies schon lange nicht mehr. Wenn wir dies nicht mehr wollen, geht es nur über Bündelungen von Aufgaben und Angeboten. Und dies geht eben nur, wenn wir neue Wege beschreiten.
Erst wenn diese Möglichkeiten des Sparens … und meine Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit … ALLE ausgeschöpft sind, ist die FDP bereit, über weitere Abgabenerhöhungen oder die Einführung neuer Steuern zu reden. Denn … dies steht auch außer Frage… sollte ein weiterer Förder-Bedarf z. B. unserer Vereine zur Unterstützung des Vereinslebens notwendig sein, stehen auch wir als FDP voll hinter den Vereinen und ihrer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe für alle Oberurseler.
Eine Grundsteuer B – Erhöhung auf 625 Punkte ab 2016 wird die FDP sonst klar und definitiv ablehnen.
Ich komme zurück zum Haushalt 2015. Die Systematik der geforderten Form der Einreichung der Anträge macht eine Beschäftigung mit jeder einzelnen Produktgruppe notwendig. Sparen im kleinen Rahmen frei nach dem Motto „Kleinvieh macht auch Mist“. Hier gibt es sicherlich viele Ansätze in den einzelnen Produktgruppen kleinere Beträge zu sparen. Die FDP-Fraktion hat hier als ein Beispiel die Einsparung des Mittelaufwuchses bei der Fachliteratur in der Verwaltung seit 2013 in Höhe von 8.550 € – knapp 17 Prozent – beantragt. Beschlossen haben wir letztendlich 15 % Einsparung. Wesentlicher sehen wir grundsätzliche Entscheidungen und Richtungsvorgaben an, die sich dann in der Haushaltsplanung widerspiegeln müssen.
Die von der FDP-Fraktion beantragten Kürzungen bei den Planungs- und Gutachterkosten impliziert ein Zurückfahren dieser Position, jedoch nicht in dem Umfang, wie von der CDU gefordert, sondern etwas moderater. Dies geschieht vor dem Hintergrund unserer Forderung nach einem umfassenden Gesamt-Verkehrskonzept, welches sowohl den Auto- als auch den Rad- und öffentlichen Nahverkehr einschließt. Hierfür müssen die Mittel in der betreffenden Produktgruppe gewidmet sein. Ein Gesamt-Verkehrskonzept muss die vielen bereits getroffenen und noch dringend zu treffenden Einzel-Entscheidungen zum Verkehr in Oberursel allumfassend einschließen. Ein Vorgehen wie bisher… mit einem Projekt hier und einem anderen Projekt dort … muss gestoppt werden, wollen wir auch verkehrlich den geänderten Gegebenheiten der Mobilität in unserer Stadt gerecht werden. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass die Südumgehung im Augenblick vom Land nicht als Priorität A eingestuft ist, erscheint eine Streichung der dafür in unserem HH eingestellten Mittel, wie von der Grünen-Fraktion beantragt, sinnvoll. Doch haben wir uns vor dem Hintergrund der dringenden Notwendigkeit der Erstellung eines schlüssigen Verkehrskonzeptes, welches auch die Südumgehung mit einschließt, dazu entschieden, eben genau diese Mittel auch weiterhin als mahnenden Merkposten stehen zu lassen.
In diesem Zusammenhang erinnere ich Sie, Herr Bürgermeister Brum an Ihre Aussage, die Sie im Rahmen ihrer erneuten Nominierung als Kandidat zur Bürgermeisterwahl 2015 hinsichtlich notwendiger Investition in die Weingärtenumgehung und Anbindung der Nassauer Straße gemacht haben und ich nehme Sie beim Wort. Erstaunlicherweise sind eben genau diese Kosten NICHT in den HH-Planentwurf für 2015 eingestellt.
Zur Unterstützung der Tagesmütter als Selbständige mit Kleinstunternehmen und wichtige Säule in der Gewährleistung des Betreuungsanspruches beantragt die FDP-Fraktion nunmehr zusätzlich
100.000 €. Eine notwendige Förderung zum Ausgleich des Wettbewerbsnachteils, welcher auch durch die sehr einseitige Förderung der Kindertageseinrichtungen entstanden ist. Über die tatsächliche, inhaltliche Mittelvergabe wird der Sozial- und Kulturausschuss zu entscheiden haben. Doch sehen wir die Mittel insbesondere zur Unterstützung bei der Anmietung bzw. der Bereitstellung von Wohnraum zur Ausübung der Betreuungstätigkeit als notwendig an. Die anderen von Herrn Fink vorgeschlagenen Maßnahmen sind zweifellos ebenfalls unabdingbar und unterstützenwert. Doch ist die angemessene Bezahlung der Tagesmütter oder die Sicherstellung der gegenseitigen Vertretung primär Kreisaufgabe… und hier sollte Oberursel auf die Unterstützung seitens des Kreises drängen, insbesondere hinsichtlich eines vernünftigen Konzeptes zur Krankheitsvertretung. Mit unserer Anregung, die Mittel insbesondere zur Zahlung eines Wohnkosten-Zuschusses einzusetzen, geht auch die Überlegung einher, dass sich hierdurch Zusammenschüsse von Tagesmüttern etablieren und so oder auch in Zusammenarbeit mit Kindetageseinrichtungen neue Betreuungskonzepte entwickelt werden. Der vermeintliche Wettbewerbsnachteil der Tagesmütter kann hierdurch ausgleichen oder gar umgekehrt werden.
Im Übrigen nimmt die FDP Oberursel sehr erfreut zur Kenntnis, dass unsere Initiative zur Unterstützung der Tagesmütter, die wir bereits im Sommer letzten Jahres mit einem Besuch bei Nestwerk e. V. und weiteren Gesprächen mit betroffenen Tagesmüttern gestartet haben, nun auch in Oberursel Früchte trägt.
Hinsichtlich der Kinderbetreuung auf der Grundlage des Kinderfördergesetzes … kurz KiföG … welches von der schwarz – gelben Koalition im Land noch in der letzten Legislaturperiode auf den Weg gebracht und am 1.1.2014 in Kraft getreten ist … möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass sich die Gruppenstärke in der U 3 Betreuung reduziert hat. Dies zeigt einmal mehr, dass die damals unter anderem von SPD und GRÜNE äußerst vehement geäußerte Kritik am KiföG in diesem Punkt unbegründet war. Da passt es ins Bild, dass die Fraktionen von SPD und GRÜNEN nunmehr zur Deckung der zusätzlichen Mittel für die Unterstützung der Tagesmütter eine Kürzung der Mittel zur Zahlung an externe Träger von Kindertageseinrichtungen in Höhe von eben genau diesen 100.000 € vornimmt. Das KiföG macht somit auch indirekt eine Unterstützung der Tagesmütter in und durch Oberursel möglich.
Weiter möchte ich an eine andere Prioritätensetzung in der Wohnbebauung appellieren! Sicherlich ist es im Sinne der Einnahmenmaximierung, stadteigene Grundstücke höchstbietend zu veräußern. Jedoch sprechen wir damit ausschließlich Familien und Paare mit überdurchschnittlich hohem Familieneinkommen an. Familien mit mittlerem Einkommen bleiben auf der Strecke. Sie sind gezwungen ins Umland zu ziehen. Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen… für eben genau diese Familien mit mittlerem Einkommen … ist ebenso Aufgabe wie Verantwortung nachhaltiger Stadtpolitik.
Die in der Vergangenheit stark angestiegene und zukünftig schon geplante Bautätigkeit hat im Ergebnis eine massive Verdichtung insbesondere des Innenstadtbereiches zur Folge. Dies muss dringend zurückgefahren werden. Nicht nur, weil das Stadtbild Oberursels nachhaltig und unumkehrbar verändert wird. Sondern auch, weil die notwendige Infrastruktur nicht Schritt hält bzw. nicht Schritt halten kann, wollen wir eine weitere Verschuldung verhindern.
Oberursel hat sich verändert. Oberursel ist schon lange kein Dorf mit 8.000 Einwohnern mehr. Nein… Oberursel hat knapp 45.000 Einwohner. Dieser Tatsache müssen auch alle Entscheidungen z. B. zur Innenstadtentwicklung gerecht werden. Da frage ich mich, wie vor diesem Hintergrund ernsthaft die Beibehaltung des Rathauses am jetzigen Standtort in Erwägung gezogen wird. Die notwendige Sanierung des Rathauses würde einen zweistelligen Millionenbetrag verschlingen! Das Rathausareal wäre damit unwiederbringlich für die innerstädtische Entwicklung verloren.
Das Tafelsilber Oberursels ist größtenteils veräußert. Für die künftig Verantwortlichen in Rat und Verwaltung kann diese Tatsache zum großen Problem erwachsen. Denn den Ergebnishaushalt zu konsolidieren ist eine Sache. Doch im Finanzhaushalt keinerlei Spielraum mehr zu haben ist nahezu gefährlich. Der Investitionsstau ist vorprogrammiert. Umso wichtiger ist es, verantwortungsvoll, prioritär festgelegt und konzeptionell hinterlegt weitere Investitionen zu planen … Dies alles im Dialog mit dem Bürger. Denn darum geht es, um die Bürger Oberursels.
Ich habe mit einem Zitat begonnen… dann möchte ich auch mit einem Zitat – diesmal von Johann Wolfgang von Goethe – enden… „Es ist nicht genug zu wissen, man muss auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“
In diesem Sinne… Wollen wir es anpacken und den Mut finden, neue Wege zu gehen und bisher Undenkbares zu tun.
Katja Adler
(Mitglied im HFA, stellv. Fraktionsvorsitzende)